Jubiläum 40 Jahre BMW Motorrad Club Deutschschweiz
40-Jahr-Jubiläum des Deutschschweizer BMW-Motorradclubs
18. und 19. September 2010 auf dem Seelisberg
Vorgeschichte
Wie bei so Anlässen üblich, geht der eigentlichen Veranstaltung ein relativ grosser Aufwand an Arbeit voraus. Dieser beinhaltete etliche Sitzungen des Organisationskomitees, viele Schreibarbeiten, das Einholen von Offerten der diversen Transportunternehmen, vom Hotel, das Finden von Sponsoren und etliche Abklärungen vor Ort. Dazu kommt auch noch einiges an Organisationsarbeit: wann sind wir wo, mit welchem Verkehrsmittel gehen wir wann wohin, was essen wir wo (ein beliebtes Thema, wird meistens auf Ausflügen bestens fotografisch dokumentiert, so dass der Eindruck entstehen könnte, man tue nichts anderes als fressen und saufen), wie tun wir was und wann. Über das Warum mussten wir uns keine Gedanken machen, wir hatten da ein Stichwort: Jubiläum! Noch ein paar harte Fakten: Über 961 MB, mit 436 Dateien und 37 Ordnern, gegen 300 gesendete und empfangene Mails, zahllose Telefonate und unzählige Stunden. Dabei dürfte allen klar sein, dass das nicht in einem halben Tag zu bewältigen ist…!
Noch eine kleine Anekdote aus der Vorgeschichte. Wie so üblich, fand zu Beginn der Organisationsarbeit auch ein Treffen mit dem Hotelier, Herrn Amstad, statt. Dort legten wir zusammen den groben Rahmen unseres Anlasses fest. Wir baten ihn dann, dies schriftlich zu bestätigen. Herr Amstad hat sich unsere Namen und Email-Adressen aufgeschrieben, und nach einiger Zeit kam dann auch elektronische Post vom Hotel Bellevue. Ich nehme an, dass Herr Amstad nicht selbst geschrieben hat, und irgend jemand vom Hotel seine Schrift entziffern musste. Bei Franz ist es dieser Person gelungen, bei mir nicht. Natürlich ist es schon so, dass mein Vorname nicht sehr üblich ist, aber trotzdem. Die Adresse lautete dann wie folgt: Herrn E210 Sormani usw. E210! Was für ein Vorname! Wenn man sich aber das Schriftbild anschaut, dann sieht man, dass sich E210 und EZIO ziemlich ähnlich sind, aber trotzdem. Dieser Verschreiber hat auf jeden Fall schon für sehr viel Heiterkeit gesorgt und sogar dazu geführt, dass jetzt mein Motorrad mit dem Schriftzug E210 geschmückt ist (E210 ist übrigens in der Lebensmittelindustrie die Bezeichnung für Benzoësäure, ein Konservierungsmittel). E210 ist aber auch ein Name einer Fahrschule für rassiges Töff- und Autofahren (googelt das mal).
Der Freitag vor dem Fest war mit diversen Arbeiten angereichert. So mussten z.B. die Ballons an den Tafeln entlang der Strasse plaziert, die Parkplätze angeschrieben und die Hinweise zur Einstellhalle angebracht werden. Dann wurden Fahnen und Flaggen aufgehängt und aufgezogen. Wir haben beim Hissen der BMW-Flagge auf das Absingen einer BMW-Hymne verzichtet, weil wir sonst beim Herunternehmen der Flagge dieselbe rückwärts hätten singen müssen und das uns sicher überfordert hätte. Zudem war’s zu dem Zeitpunkt so frisch, dass wir das so schnell wie möglich erledigten und wieder ins warme Hotel zurückgingen. Es hatte am Morgen noch heftig geregnet (Test wieder einmal bestanden: mein BMW-Anzug ist dicht!), ab Mittag hörte es jedoch auf und das Wetter blieb in der Folge trocken.
Am späteren Nachmittag trafen dann unsere Freunde aus Iserlohn ein wie auch ein Teil unserer Clubmitglieder. Das gemeinsame Nachtessen verlief in aufgeräumter Stimmung und ich konnte bei dieser Gelegenheit auch ein paar Kollegen aus Iserlohn ein bisschen näher kennenlernen. Wir hatten genug Gesprächsstoff - es waren auf jeden Fall schöne Reise- und Benzingeschichten. Zur guten Stimmung trug auch ein Duo mit Handorgel und Bassgeige bei, die uns der Wirt auf ein paar Musikstücke vorbeischickte. Es war dies ein gut eingespieltes Team, die zwei haben wahrscheinlich schon mehr als zehn Jahre vor der Gründung unseres Clubs zusammengespielt. Wie üblich ist der Abend an der Hotelbar ausgeklungen.
Samstag, 18. September 2010
Der Tag begann gut. Um sechs in der Früh war beinahe klarer Himmel, es sah aus, wie wenn es einen ganz guten Tag gäbe. Den hat’s auch gegeben, wettermässig allerdings nicht so. Während die, die schon übernachtet hatten, frühstückten, trafen die restlichen angemeldeten Clubmitglieder ein. Nicht alle mit dem Motorrad, wie sich das eigentlich gehörte, sondern mit dem Auto und plausiblen Ausreden, so dass wir dies tolerieren können. Wir waren ja froh, dass sie überhaupt gekommen waren. Wider Erwarten ist nämlich die Beteiligung an diesem Jubiläumsanlass hinter den Annahmen des Vorstandes und des Organisationskomitees zurückgeblieben. Dies ist schade, es hat aber der guten Stimmung, die während des ganzen Anlasses herrschte, nicht geschadet. Der übliche harte Kern, der auch an den Ausflügen teilnimmt, war mit wenigen Ausnahmen dabei. Leider konnten ein paar Mitglieder wegen nicht zu lösenden Terminkollisionen nicht kommen. Vielleicht schaffen sie es ja zum fünfzigjährigen Jubiläum. Hoffen wir, dass es dann den Club noch gibt.
Nach dem Frühstück – und einem Aufwärmkaffee für die, die mit dem Töff kamen – ging es mit dem Bus nach Stans. Dort stiegen wir in die Standseilbahn um, als VIPs natürlich ohne anstehen direkt beim hinteren Eingang. Dort beschlich mich schon eine leise Ahnung, dass es auf dem Horn oben nicht so sichtig sein könnte. Im Laufe des Vormittags ist es nämlich ständig trüb und trüber geworden. Die Stimmung allerdings nicht, sie wurde zusätzlich aufgehellt durch die kleinen Medizinfläschchen, die uns Günter spendete. Mir jedenfalls hat es geholfen, meine Angst vor diesen ekelhaften Luftseilbahnen in erträglichen Grenzen zu halten. In früheren Zeiten ging die Standseilbahn in drei Sektionen bis auf den Gipfel des Stanserhorns (1898 m ü. M.), nach einem Brand im Jahre 1970 wurde der Betrieb der zweiten und dritten Sektion leider eingestellt. Seit 1975 kommt man mit einer Luftseilbahn auf das Stanserhorn. In früheren Zeiten stand einmal ein Luxushotel dort.
Wenn das Hotel jetzt noch da gewesen wäre, dann hätte man es kaum gesehen. Nicht weil es ein so kleines Hotel war, nein, ihr erratet es, es war neblig. Es war nicht nur neblig, es war auch noch kalt, also das volle Programm. Und um dieses Wetter schönzutrinken reichten die zwei Medizinfläschchen von Günter nicht aus. Zudem hatte ich ja meine schon für die Fahrt mit der Luftseilbahn verbraucht. Man hätte so viel trinken müssen, dass man dann für den Rest des Tages benebelt gewesen wäre, und das konnte ja nicht das Ziel der Übung sein. Wir gingen also in die Beiz (für unsere deutschen Freunde: das Restaurant), wo in weiser Voraussicht Plätze für uns reserviert waren. Und in noch weiserer Voraussicht hatte Franz schon einmal vorsichtshalber ein paar Portionen Älplermagronen bestellt. Die meisten von uns führten sich dann dieselben zu Gemüte und waren sehr zufrieden damit. Es waren wirklich ausgezeichnete Älplermagronen, deren Güte in umgekehrt proportionalem Verhältnis zum Wetter stand. Immerhin wurden wir vom Essen nicht durch die Aussicht abgelenkt. Das mittlere Kaltgrau des Nebels verzog sich die ganze Zeit nicht. Nach dem Essen schlugen wir dann nochmals zu, mit einer ausgezeichneten Zuger Kirschtorte.
Bevor wir jedoch zu Tal fuhren, wurden wir noch mit einer geballten Ladung schweizerischer Folklore eingedeckt. Ein Jodlerclub gab ein paar seiner endlosen Gesänge zum Besten. Offenbar gehört dies zu den Alpen und muss sein. Vielleicht sind dies aber auch nur Atemübungen für Kurzatmige, oder....... (ich muss mich hier etwas zurücknehmen, weil ich niemandem zu nahe treten möchte. Für mich ist das Jodeln auf öffentlichem Grund an solchen Orten eine akustische Umweltverschmutzung, gegen die ich mich leider nicht wehren kann. Und für mich drückt das schwermütige Gejammer nicht unbedingt eine heitere Lebensfreude aus, der man nicht widerstehen kann. Also nochmals, ich möchte niemandem zu nahe treten. Den Jodlern dort oben wäre ich das aber gerne, ich habe mich gerade noch zurückhalten können).
Also gut, wir fuhren dann mit der Luftseilbahn wieder hinunter. Bei mir wirkte zum Glück die Zuger Kirschtorte noch etwas nach, so dass ich auch diese Fahrt überstand. Die Standseilbahn war sowieso kein Problem. Die können sich ja über Funk absprechen, auf welcher Seite sie sich kreuzen; ich frage mich, wie die das in früheren Zeiten gemacht haben. Wahrscheinlich liegt hier der Ursprung des Jodelns, die Tragweite dieses Geheuls ist ja enorm. Es gab damals nur zwei Jodel: den linken Seitenjodel und den rechten Seitenjodel. Leider ist dann aus diesem sogenannten Gebrauchs- und Bahnjodel eine Art Folklore entstanden, die bis heute nicht ausgerottet werden konnte. Da nun aber plötzlich viele Menschen jodelten, war das der Sicherheit der Bahn abträglich – kein Mensch konnte mehr mit Sicherheit sagen, auf welcher Seite jetzt gekreuzt wird. Es musste ein anderes, sichereres System her. Wir haben es der Stanserhornbahn zu verdanken, dass zuerst das Telefon und dann der Funkverkehr erfunden wurde, um die Kommunikation und die Sicherheit zu gewährleisten. Die Erfindung des Internets als Kommunikationsmittel kann man der Seelisberg-Treib-Bahn zuschreiben, die unter denselben Problemen wie die Stanserhornbahn litt. Allerdings dauerte es Jahre, bis das Internet in allgemeinen Gebrauch kam. Leider wurde mit der Erfindung des Internets das Jodeln nicht abgeschafft, im Gegenteil. Es wird jetzt in leicht veränderter Form von Lady Gaga weltweit gefördert. Wie ich gerüchteweise gehört habe, plant sie ein Konzert auf dem Rütli mit dem gemischten Jodeldoppelquartett vom Schattegiebeleggtäli (für unsere deutschen Freunde: Schattegiebeleggtäli kann man nicht auf Deutsch übersetzen, Schattengiebelecktälchen gibt die Melodie des Worts nicht richtig wieder).
Zurück zum Jubiläum. Nachdem wir wieder wohlbehalten im Hotel angekommen waren, hatten wir ein bisschen Zeit zur freien Verfügung. Allerdings nicht viel, weil wir bald zum Aperitif erwar-tet wurden. Dieser fand draussen auf der Terrasse bei wundervoller Aussicht und ziemlicher Frische statt. Wegen der herrschenden Kälte kam der Apéro wohl günstiger zu stehen, da man nicht zu lange draussen herumstehen mochte.
Dann gingen wir in den sehr schön dekorierten Festsaal, nahmen Platz und durften sodann gleich wieder nach draussen gehen, um die vorbereiteten Ballons fliegen zu lassen. Wir wurden Zeugen eines merkwürdigen Schauspiels. Die Ballons flogen zuerst in die Höhe, entfernten sich etwas von der Terrasse und flogen dann in ziemlich hohem Tempo auf den See zu. Aber abwärts! Man hatte den Eindruck, dies sei eine Fehlproduktion von Ballons oder aber das Gas sei verkehrt herum eingefüllt worden. Kurz vor dem „Splash down“, also dem Aufschlagen auf den See, gewann der Auftrieb doch wieder die Oberhand und die Ballons flogen rechts am Fronalpstock (das war der Berg gegenüber) vorbei in das Riemenstaldental. Was dann weiter mit den Ballons geschah, konnten wir nicht mehr mitverfolgen.
Wir gingen nun endlich wieder zurück an die Wärme und lauschten den Klängen der Drehorgeln, die schon den Apéro begleitet hatten. Es waren drei Orgeln da, von denen aber nur zwei gleichzeitig gespielt wurden. Leider habe ich mir nicht aufgeschrieben, wie viele Chöre die einzelnen Orgeln hatten, es waren aber zwischen 24, die eine und 78, die andere. Die haben dann zusammen gespielt. Der Marsch „Alte Kameraden“ liess die beiden Drehorgelmänner am Anfang wirklich wie alte Kameraden aussehen, sie hatten zu Beginn ein bisschen Mühe mit der Synchronisation. Das wundert mich allerdings nicht, bei so vielen Chören. Es ist sicher schon enorm schwierig, nur einen einfachen (einchörigen) Jodelchor zu synchronisieren, und, wie man hören kann, gelingt auch das nur selten (Entschuldigung, aber das musste sein).
Nachdem die beiden Drehorgelmänner den Rank mit den alten Kameraden gefunden hatten, beendeten sie ihre Vorstellung und wurden mit grossem und verdientem Applaus verabschiedet. Wer jetzt aber glaubte, man könne nun endlich mit dem Essen anfangen, sah sich getäuscht. Es gibt keine Feier ohne Ansprachen. Erst recht nicht Jubiläen! Und wir kamen in den Genuss eines wirklich einmaligen Erlebnisses. Man stelle sich vor, der Club wurde vor vierzig Jahren gegründet und der jetzt 93-jährige erste Präsident und Gründer des Clubs, Felix Thoma, hielt die Festansprache! Es war hauptsächlich ein Rückblick auf vergangene, schöne Zeiten des Clubs mit Wahnsinns-Reisen. Es ist ganz toll, dass Felix und seine Frau Liesel an unserem Jubiläum dabei sein konnten, es ist ja auch ihres, denn ohne die Beiden hätten wir nichts zu feiern gehabt.
Einen kurzen Ausblick auf die Zukunft bot der jetzige Präsident, Erich Bachmann. Bis er 93 Jahre alt ist, kann er den Club noch rund vierzig Jahre leiten. Wie er allerdings ausführte, möchte er dies nicht und sein Amt in zwei Jahren zur Verfügung stellen. Im Vorstand fehlen bereits jetzt zwei Mitglieder, nämlich die Tourenwarte. Marcel Grimm ist anfangs des Jahres etwas abrupt zurückgetreten und hat den Club verlassen, und Thomas Schwyter möchte das Amt nach zehn Jahren erfolgreicher Tätigkeit abgeben. Wenn das so weitergeht, wird uns der Club noch aussterben. Dies ist aber ein Thema für die Generalversammlung Ende Oktober diesen Jahres.
Auch der erste Vorsitzende des Iserlohner Motorradclubs, Günter Egger, hielt noch eine kurze Grussadresse, in der er betonte, wie wichtig die Freundschaft unter den Clubs sei. Dem können wir von ganzem Herzen zustimmen, ist es doch nicht die Regel, dass sich zwei Clubs über so lange Jahre freundschaftlich zugetan sind und diese Freundschaft auch pflegen. Wir nahmen seinen Dank für die Einladung gerne an und freuen uns, dass die Iserlohner den weiten Weg nicht scheuten, um mit uns zu feiern.
Dann lasst uns also weiterfeiern. Suppe. Salat. Fleisch mit Beilage. Lotto. Dessert. Lotto. Kaffee. Hotelbar. Das war’s.
Nun, machen wir es doch ein bisschen ausführlicher. Zum Essen kann man nicht viel sagen, ausser, dass es ausgezeichnet war. Sehr ausgezeichnet sogar. Zum Lotto kann man allerdings mehr sagen. Viel mehr.
Es ist mir manches aufgefallen an diesem Lottospiel. Erstens die Gier, mit der die Preise begutachtet wurden und dann die daraus resultierende Verbissenheit beim Abdecken der Zahlen. Wenn sich jemand getraute zu lachen wurde sofort „Pssst“ gezischt, wehe, man störte die Konzentration! Die Spannung stieg ins Unerträgliche, bis endlich jemand „Lotto“ rief. Es geht relativ lange, bis die fünfzehn Zahlen in der richtigen Reihenfolge abgedeckt werden können, aber natürlich, jemand anders war schneller als ich. Und dabei hatte ich mir schon Gedanken gemacht, wie ich den Geschenkkorb auf dem Töff verstauen könnte. Es wäre gegangen, da bin ich überzeugt davon, aber ich hatte keine Chance. Es sah überhaupt so aus, als sei da getrickst worden. Gewisse Leute gewannen gleich mehrmals und räumten dementsprechend ab. Kein Wunder, sind diverse Clubmitglieder mit dem Auto gekommen! Ein nächstes Mal kaufe ich mindestens zehn Karten, dann habe ich vielleicht eine kleine Chance. Allerdings kann man sich den gewünschten Preis dann auch im Laden kaufen, das kommt billiger. Aber der Spassfaktor fällt dann weg. Zu einem MotoMader Kopfpariser und einem Antibeschlagspray hat’s dann doch noch gereicht, allerdings erst in der zweiten Runde.
Nach der ersten Runde gab’s Dessert. Eine Pause war auch bitter nötig, weil für die leer ausgegangenen wurde es langsam unerträglich, wie diese lästigen Gewinnertypen am Gabentisch herumlungerten und sich aussuchten, was ihnen passte. Es ist unwahrscheinlich, wie penetrant ein solch überlegenes Getue wirkt. Wenn man selbst in diese Lage käme, dann würde man selbstverständlich sofort zugreifen können, weil man den Gabentisch ja vorgängig minutiös begutachtet hatte. Aber diesen Leuten ist es scheissegal, ob und wann das Spiel weitergehen kann oder nicht. Sie brauchen völlig unnötig viel Zeit, um sich zu entscheiden, obwohl das bei den Preisen eine Sache von Sekunden war!
Endlich ging es weiter, und ich hatte eine Karte voll. Es stimmte alles, und ich durfte an den Gabentisch. Nun war der Geschenkkorb allerdings schon weg, und ich hatte mir keine Gedanken gemacht, was ich an seiner Stelle nehmen würde. Also galt es, die verbliebenen Sachen sorgfältig anzuschauen und den grössten Kosten/Nutzen-Effekt zu evaluieren. Natürlich geht das nicht ruckzuck, und es ist ekelhaft, wie das übrige, nicht gewinnende Publikum mit einer ungeheuren Penetranz auf das Weiterspielen drängt! Nicht einmal zehn Minuten gönnen die einem! Dabei ist es enorm schwierig, zu entscheiden, ob man jetzt zwei MotoMader Kopfpariser oder bloss einen und dafür noch einen Antibeschlagsspray für das Visier oder doch lieber ein Reisenecessaire nehmen soll. Solch schwerwiegende Entscheide brauchen ihre Zeit! Die Tragweite dieses Prozesses ist den meisten Leuten offenbar unbekannt, daher drängen sie auf das Weiterspielen!
Nun ja, auch das Lottospielen kam zu einem Ende. Es war bemerkenswert, dass es Leute gab, die ihre Gewinne in Papiertragesäcken und anderen grösseren Behältnissen wegtransportieren mussten. Sollen sich doch diese gierigen Leute sich mit dem Transport abmühen! Ich beneide sie nicht! Nein! Überhaupt nicht! Wären sie so bescheiden wie ich, dann hätten sie die gesamten 5 Gewinne in die linke Hosentasche stecken können und immer noch Platz für zwei Packungen Tempo-Taschentücher gehabt. Bescheidenheit ist eine Zier, merkt euch das!
Der Abend im Festsaal neigte sich dem Ende zu und wir mussten in die Hotelbar dislozieren. Dort vertieften wir die Kontakte mit unseren deutschen Freunden bei ein paar Bieren. Dies ist übrigens ein merkwürdiges Getränk. Da beugt man in der Bar dem nächtlichen Verdursten vor und schüttet ordentlich Bier in sich. Und was passiert am Morgen? Man hat Durst. Ich frage mich, wie das wohl ist, wenn man kein Bier trinkt? Noch mehr Durst? Wie dem auch sei, so gegen zwei Uhr gingen die Letzten zu Bett und schliefen den Schlaf der Gerechten.
Sonntag, 18. September 2010
Nach einem ausgedehnten und vorzüglichen Frühstück (für unsere deutschen Freunde: Morgenessen) trafen wir uns um zehn Uhr oder so vor dem Bahnhof der Seelisberg-Treib-Bahn. Der Vorstand des Verkehrsvereins gab uns einen kurzen Abriss über die Geschichte von Seelisberg und Treib. Die Talstation der Bahn ist in unmittelbarer Nähe des ersten Tagsatzung-Hauses (Parlament) der Schweiz. Geredet wird dort bestimmt immer noch viel, allerdings wohl mit geringerer Tragweite, das Haus ist zu einem Restaurant umgebaut worden. An diesem Haus vorbei (es ist eigentlich ungewöhnlich, dass der Töffclub an einem angeschriebenen Haus vorbeigeht) ging es zum Schiff. Noch ein Wort zum Wetter. Es war wunderschön an diesem Morgen! Angenehme Temperatur und Sonnenschein ohne Ende! Keine Wolken! Mit diesen Vorbedingungen musste es eine schöne Schifffahrt werden. Und sie wurde es.
Kapitän Rino führte uns zuerst Richtung seeabwärts. Bei der breitesten Stelle des Vierwaldstädtersees wendete er und dann fuhren wir dem linken Seeufer entlang den Urnersee hinauf. Wir kamen wieder an Treib und dann am wichtigsten Ort der Schweiz vorbei. Für unsere deutschen Freunde: Das Rütli, so heisst der Ort, ist die Wiese, wo die Schweiz gegründet wurde. Mit Vertretern der Stände (Kantone) Uri, Schwyz und Unterwalden. Den Text zum Drehbuch schrieb ein gewisser Herr Schiller: „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, zusammenstehen in jeder Not und Gefahr .....“. Man sieht, dass von da an noch ein langer Weg zum Frauenstimmrecht war.
Auf dem Rütli wurde vor ein paar Jahren während der Bundesfeier (für die deutschen Freunde: am 1. August) ein im Boden vergrabener Feuerwerkskörper ferngezündet, was vor allem die Leibwächter der Magistraten gewaltig erschreckte. Es kam niemand zu Schaden. Verbindungen der Attentäter zur al Qaida wurden nie bewiesen. Mit anderen Worten, es war ein Innerschweizer Lausbubenstreich, der vor allem von den Politikern viel zu ernst genommen wurde. Immerhin wurde die Schweiz deswegen nicht von einer Krise geschüttelt, das haben die Banken etwas später dann viel besser hinbekommen. Und weiter ging es dem Ufer entlang.
Jetzt kamen wir zum Schillerstein. Das ist ein natürlich gewachsener Fels, der die Form eines grossen, in die Höhe gewachsenen Kristalls hat. Auf diesem Stein steht in echt goldenen Buchstaben: „Dem Sänger Tells, F. Schiller, die Urkantone, 1859“ (wenn er Johann Wolfgang von Goethe geheissen hätte, wär’s teurer geworden, und dann würde der Stein auch nicht Schillerstein heissen). Wegen der Gold-Hausse darf zur Zeit kein Schiff in der Nähe anhalten, sagte uns Kapitän Rino.
Das nächste, was uns der Käptn zeigen wollte, war ein Einschnitt im steilen Ufer, von wo man den Teufel sehen kann. Dazu muss er in einem rechten Winkel zum Ufer ganz nahe ans Land fahren. Da er nicht so genau sieht, wie nahe er schon ist, bat er Felix, die Aufgabe des Einweisens zu übernehmen. Kaum war Felix an seinem Platz zuvorderst im Schiff, gab der Käptn Schub und rauschte mit Volldampf auf das Ufer zu. Wahrscheinlich hat ihm Felix dann gewunken, denn plötzlich gab er Gegenschub und kam wirklich sehr knapp vor dem Ufer zu stehen. Und dies ohne ABS-System! Wenn man jetzt von unten hinaufblickte, konnte man – allerdings mit etwas Fantasie – das Gesicht des Teufels ganz oben an der Wand sehen. Es gibt Leute, die wollen auch schon den Ex-Bundesrat Blocher erkannt haben. Die Bundesräte Merz und Leuenberger kann man wohl erst nach der Bundesratswahl vom 22. September erkennen.
Kurz darauf kamen wir zum Ort Bauen. Bis in die späten Fünfzigerjahre konnte dieser Ort nur auf dem Seeweg erreicht werden. Erst dann wurde eine Strasse gebaut, was dem Ort zu einem ungeahnten Aufschwung verhalf. Danach wendete der Kapitän Rino das Schiff und wir fuhren auf der anderen Seite den See hinunter.
Hier kamen wir zur Tells-Kapelle. Die ist etwas oberhalb der Plattform, wo Tell seinen berühmten Sprung absolvierte, erbaut worden. Mit dem Schiff kann man ziemlich nahe daran fahren und die Gemälde bewundern. In vier Bildern ist die Geschichte Tells dargestellt. Jetzt kommen wir wieder zurück auf den Herrn Schiller vom gleichnamigen Stein. Dieser Herr pflegte eine enge Freundschaft mit einem anderen Drehbuchautor, dem Herrn J. W. Göthe (als er bekannter wurde, schrieb er sich dann nur noch „von Goethe“). Von diesem hörte er eine Geschichte über einen gewissen Guglielmo Tello, die ihn sehr interessierte. Da er wusste, dass Herr Goethe wieder einmal in die Schweiz reisen werde, bat er ihn, Recherchen über diesen Guglielmo Tello anzustellen.
Goethe fand heraus, dass es sich um einen straffälligen Fremdarbeiterssohn aus Italien handelte, der einen habgierigen resp. habsburgischen Landvogt namens Gessler mit der Armbrust erlegte. In der Schweiz nahm man an dieser Affäre regen Anteil. Durch Hinweise aus der Bevölkerung wurde Tello dann gefasst und über den See gefahren, um der Gerichtsbarkeit zugeführt zu werden. Dies wissend veranlasste Herr Schiller, dass am rechten Seeufer in aller Eile eine Plattform gebaut wurde, damit Tello den nachmals berühmten Sprung vom Schiff machen konnte. Zeit dazu hatte er genügend, da man bereits damals wusste, dass die Mühlen der Gerechtigkeit sehr langsam mahlen. Durch diesen Sprung wurde Tello in der ganzen Schweiz bekannt, worauf er sich entschloss, sich in einem Urkanton, nämlich Uri, einbürgern zu lassen. Der damaligen Einbürgerungsbehörde, der Tagsatzung, war der Name zu italienisch, worauf sich der Kandidat nach Anfrage bereit erklärte, sich fortan Wilhelm Tell zu nennen. Die vollständige Geschichte kann man bei Herrn Friedrich Schiller nachlesen, der diesem eingebürgerten Secondo ein ganzes Buch widmete (Wilhelm Tell, Freiheitsdrama in fünf Akten, 1804).
Wir fuhren weiter auf dem See der Axenstrasse entlang, die lange Jahrhunderte hindurch die Hauptverbindung von Norden nach Süden (und umgekehrt) war. Weil Teile der Strasse zwischen Sisikon und Flüelen zu eng waren, um zwei Fuhrwerke aneinander vorbei fahren zu lassen, wartete man in Sisikon ab, bis die Strasse frei war. Dies war natürlich sehr erfreulich für die Gastwirte, die den Kutschern Poulet im Chörbli (für unsere deutschen Freunde: dies ist ein kleiner Korb, gefüllt mit einem Hähnchen) verkaufen konnten. Die Strasse ist unterdessen verbreitert worden, damit man aber weiterhin in Sisikon anhalten muss, werden durch Baustellen auf der Axenstrasse Staus verursacht. Dies ist wiederum ganz im Sinne der Organisation “Pro Specie rara“, die Interesse an Traditionen hat und das Poulet im Chörbli nicht aussterben lassen will.
Irgendwann geht auch der schönste Ausflug zu Ende und so erreichten wir gegen zwei Uhr wieder die Station Treib. Dort bestiegen wir die Standseilbahn und fuhren damit zurück nach Seelisberg. Es folgten die üblichen Abschiedsszenen sowie eine allgemeine Küsserei von Frauen, ebenfalls wie üblich. Wenn ich da genau zuschaue, werde ich den leisen Verdacht nicht los, dass gewisse Leute das Küssen durchaus schätzen..........
Schön war’s. Es hat alles gepasst. Freude herrscht. Solche Wochenenden darf es öfter geben, weil sie einem mehr bringen als dass sie einem kosten. Die Bilanz ist positiv. Und man hat wieder einmal mehr ein paar Stunden mit netten und liebenswerten Leuten verbracht.
Unser herzlicher Dank geht an alle, die aktiv zum Gelingen des Anlasses beigetragen haben.
Montag, 20. September 2010
Wieder zurück im normalen Leben. Bericht schreiben. Und so weiter. Kleiner Töffausflug über den Pfannenstil (für unsere deutschen Freunde: dies ist ein Bergrücken entlang des rechten Zürichseeufers). Weiterschreiben am Bericht. Und so weiter.
E210 (Ezio Sormani)
21. September 2010
Anmerkungen des Verfassers
1. Es kann sein, dass nicht alle Angaben in diesem Bericht völlig den Tatsachen entsprechen. Ebenso kann es sein, dass nicht alle Aussagen politisch korrekt sind. Dies ist mir egal.
2. Im Bericht ist bei der männlichen Form immer auch die weibliche mitgemeint. Also nehmt es nicht tragisch, wenn nicht z.B. „Leute und Leutinnen“ steht.
3. Ob Wilhelm Tell ein Secondo war, ist nicht bewiesen. Es ist nicht einmal bewiesen, dass es ihn überhaupt gab. Es könnte aber sein, dass er ein Secondo war. Was aber ganz sicher ist: er war kein Südosteuropäer.
4. Ich bedanke mich bei den Lesern, dass sie bis hierhin durchgehalten haben.